„Verzückt ins Tal der Wiesen-Pappeln“
[…] Obwohl Altenbourg es als einen Zufall bezeichnete, daß sein Atelier gerade in Altenburg stand, so sah er doch eine besondere Bedeutung darin, wie sein Geburtsort Schnepfenthal und sein Wohnort beschaffen waren:
„Dem Thüringer Wald entstamme ich,
Wald ist in mir gewesen
Und um mich immer Waldiges.“
Diese „geweihten Wälder“ sah er geschändet und zerstört durch die Menschen – „das Echo, Tarnschleier im Haar, flüchtet in die letzten Fichtengründe“ –, nur noch in seinen Werken blieben sie erhalten. Schon die frühesten Zeichnungen sind – obwohl Studien nach der Natur – keine Abbilder, sondern Umgestaltungen, um das Wesen von Bäumen und Pflanzen als etwas sich lebendig Bewegendes und Veränderndes festzuhalten. Benennungen wie „Liniendämmer, alte Allee“ und „Bäume, inneres Glühen“ geben weiterführende Hinweise. Es sind Beispiele der ersten Schaffensphase, die etwa 150 Werke umfaßt, meistens Zeichnungen mit schwarzen oder farbigen Kreiden, die sich durch die Vehemenz auszeichnen, mit der die Stifte über die Papieroberfläche geführt sind. An einigen Stellen ist das Papier gerissen, an anderen glänzende lackähnliche Bahnen entstanden, wieder andere abgeschabt, so daß Zonen geheimnisvoll leuchtender Mischtöne freiliegen.
In Altenburg hatte Altenbourg auch die entscheidende Begegnung mit großer Kunst. Das dortige Museum besitzt eine Sammlung italienischer Gemälde aus der Frührenaissance, die zu den Inkunabeln der Entdeckung der Welt gehören, Kunstwerke ersten Ranges. Es sind kleine Bilder, mit feinem Pinsel gemalt, Goldgrund leuchtet, und mit goldenen Zieraten sind die Gewänder geschmückt, jede Farbe hat ihre sakrale Bedeutung, es sind Andachtsbilder, zum Lobpreis des Göttlichen mit Andacht und zur Anbetung gemalt. Hier fand Altenbourg Hingabe an etwas Transzendentes, die auch bestimmend wurde für seine eigene Arbeit. […]
Annegret Janda in: „Gerhard Altenbourg. Arbeiten aus den Jahren 1947 bis 1989“, Ausstellungskatalog des Instituts für Auslandsbeziehungen 1992