Notate
„Auf meinem Arbeitstisch habe ich während der Arbeit an den Bildern ständig Schreibpapierbögen bereitliegen, auf die ich während und neben der Arbeit auftauchende Gedanken, Texte, Wortfindungen notiere. Die Notate müssen durchaus nicht in erkennbarer Beziehung zum werdenden, gerade auf dem Arbeitsplatz liegenden Bild stehen. So, wie die Worte aufkommen, werden sie niedergeschrieben. Sie sammeln sich als Rohmaterial an, treten unmerklich in Korrespondenz mit einem Bild, geraten mit dessen Entwicklung und Ausformung in das innere Blickfeld und klären sich in diesem Prozeß. Wenn sie nun bearbeitet werden, reichen sie in das sich verdeutlichende Bild hinein.
Beide, Bild und Text seines Titels wachsen aus gemeinsamer Erlebensbasis in einem verbundenen Arbeitsprozeß hervor. So, wie das Bild an Deutlichkeit gewinnt, gewinnen die Worte an Klarheit – und umgekehrt. Das Ergebnis ist ein Gesamtwerk, bei dem das im Bild Anwesende im Sprachgebilde seines Titels anwesend ist – und umgekehrt. Notwendigerweise muß der Titel in komprimierter Form das auf der Bildfläche Ausgebreitete wiedergeben.“
Gerhard Altenbourg, wiedergegeben von Roland Jäger: „Nach Emmaus“. Unterwegs mit Gerhard Altenbourg. In: Das dritte Auge. Ein Dialog der Freunde Gerhard Altenbourg und Erhart Kästner, Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig 1992